Weggeworfene Erinnerungen
Wie ich meine schwarze Lederjacke geliebt habe, damals, in den frühen 90ern. Ich hatte lange mit mir gerungen, ob ich sie mir leisten kann. 749 Mark. Viel Geld für einen jungen Bremer Bänker, so kurz nach der Ausbildung. Aber dann erlag ich uralten männlichen Jagdinstinkten und erlegte das tote Lamm. Das Nappaleder war unglaublich weich - was leider auch dazu führte, dass der Kragen, den ich natürlich cool aufstellen wollte, regelmäßig in sich zusammensackte. Also zuppelte ich immer wieder daran herum, um ihn aufzurichten (die sich hier anbietenden Zweideutigkeiten verkneife ich mir jetzt mal). Nichtsdestotrotz war ich wahnsinnig stolz, so etwas Edles zu besitzen. Das Bündchen, dank dem die Jacke perfekt auf der Hüfte saß, erschuf außerdem zusammen mit den Schulterpolstern - ein absolutes Muss! - eine Silhouette, die so gar nichts mit meinem sonstigen leptosomen Erscheinungsbild gemein hatte. Die Jacke und ich - wir wurden unzertrennlich und erlebten jahrelang zumindest in den kühleren Monaten alles gemeinsam. Doch im Laufe der Zeit verglühte meine Liebe zu dem treuen toten Tier und ich sah mich nach einer Neuen um. Die nächsten Jahre wechselten meine Begleiter häufig, vielleicht war ich einfach noch nicht bereit für eine erneute langfristige Bindung. Als ich 1996 nach Berlin zog, trennte ich mich zwar nicht von ihr, ließ sie aber auch nicht mehr an meinem Leben teilhaben. Die letzten zwölf Jahre verbrachte sie sehr zurückgezogen, bis ich heute morgen den letzten Schritt wagte und unsere gemeinsame Zeit beendete.

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