Körpersprache
Neulich im Bus: ein Teenager-Pärchen. Sie ist unzufrieden, weil er nicht genug redet. Der circa Achtzehnjährige daraufhin halblaut zu seiner Freundin: "Das bisschen, was wir reden, können wir auch ficken."

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jean stubenzweig, Donnerstag, 27. November 2008, 07:20
Eine Variante, mehr von früher, als dem Erotischen noch etwas mehr abgewonnen wurde: «Entweder du», sagt sie zu ihm in der abendlichen Frankfurter Kaiserstraße, «kaufst mir jetzt 'ne Bratwurst oder kommst mit mir nachhaus'. Ich brauch' unbedingt was Warmes in den Bauch.»

kreuzberger, Dienstag, 2. Dezember 2008, 11:36
Haben Sie das etwa selbst erlebt, Sie Schwerenöter? ;)

jean stubenzweig, Dienstag, 2. Dezember 2008, 15:32
Ich geb's zu – daneben gestanden zu haben, als sie's ihm laut fordernd ins Ohr flüsterte. Sprachlos, bis heute.

kreuzberger, Dienstag, 2. Dezember 2008, 16:03
Sprachlosigkeit war auch meine Reaktion auf die Bus-Szene. Manchmal kann man sich eben nur noch wundern...

jean stubenzweig, Mittwoch, 3. Dezember 2008, 02:02
Ich vergaß hinzuzufügen: Den denkwürdigen Satz sprach die rotlichtbeleuchtete Dame an ihren Beschützer hin in allerbreitestem Frankfodderisch, so, wie seinerzeit der Herr Geheimrath zu sprechen pflegte, auch am Hofe zu Weimar, wo damals der Dialekt der thüringischen Region gesprochen wurde, der zu dieser Zeit als das allerfeinste Deutsch galt, gemeinhin grob bekannt als das Sächsische. Man kommt aus dem Staunen nicht mehr raus.

Schwebt Ihnen eigentlich vor, woraus der halbe Dialog der Busszene abgeleitet sein könnte? Ich vermute mal sehr ausgeprägt daher:

Das bißchen, das ich lese, kann ich mir auch selber schreiben.

kreuzberger, Mittwoch, 10. Dezember 2008, 00:57
Der Bus fahrende Nachwuchs-Casanova hat die 70er ja eher nicht erlebt, sondern allenfalls die späten 80er - allerdings vermutlich in Windeln. Ihr Kommentar lässt mich schon wieder staunen: In Thüringen wurde sächsisch gesprochen? Und dieser Dialekt galt als "allerfeinstes Deutsch"?

jean stubenzweig, Mittwoch, 10. Dezember 2008, 03:45
Nageln Sie mich bitte nicht fest. So genau weiß ich nicht, was das für ein Dialekt ist, der in Weimar gesprochen wird bzw. bei Hofe gesprochen wurde, ob man das Sächsisch oder Thüringisch heißt; letzteres gibt es wohl gar nicht. Ich lese gerade: «Thüringisch-Obersächsisch» und «Der Dialekt in Thüringen gleicht in vielen Gebieten dem der Sachsen. Für Touristen sind die Dialekte der Sachsen und Thüringer aus diesem Grund sehr schwer zu unterscheiden.»

Sicher ist, daß es damals Hofsprache war, an der sich das gebildete Land orientierte: ein vermutlich mit höfischen Gestelztheiten durchsetzter regionalspezifischer Dialekt. Das Hoch- oder Schriftdeutsche, wie wir es kennen, gab es damals ja noch nicht. Es gab ja noch nicht mal Deutschland. Das hatte Hoffmann von Fallersleben einiges später mit seinem Lied der Deutschen zusammensingen wollen; es war ein Plädoyer für die Einigkeit und Recht und Freiheit, das die Kleinstaaterei von der Maas bis an die Memel beenden sollte.

Der Hof zu Weimar galt zur Zeit von Anna Amalia und Karl August als Orientierungsort für die gebildete Welt. Es war die Zeit, in der das Goethe-Denkmal bereits durch die Bäume schillerte und in der man sich vom Französischen als ausschließlicher Hofsprache abgewandt hatte und sogar französische und italienische Stücke sowie Shakespeare-Dramen in deutscher Übersetzung spielte.

Daß der Junge das nicht aus den Siebzigern hat, das ist mir durchaus klar. Ich meine damit auch eher, es könnte eine umdekorierte Sprichwortruine sein.

kreuzberger, Donnerstag, 11. Dezember 2008, 11:27
Vielen Dank für die Aufklärung, das finde ich wirklich interessant. Dass es Deutschland seinerzeit noch nicht als Nationalstaat gab, war mir natürlich bewusst. Aber dass es en vogue war, den heimischen Dialekt am Hofe zu sprechen, war mir neu. Dass die Regierenden Thüringisch-Obersächsisch sprechen, war dann ja erst einige Jahrhunderte nach Anna Amalia wieder modern.

Sprachlich gefallen mir an Ihrem Kommentar übrigens besonders das schillernde Goethe-Denkmal und die umdekorierte Sprichwortruine - sehr schön. :)