When we were young
Auf last.fm schallt mir auf einmal Phil Collins' "In the air tonight" entgegen. Und die Erinnerungen an eine lange versunkene Zeit tauchen wieder auf: 9. oder 10. Klasse, Wandertag, irgendwo in der norddeutschen Tiefebene. In meiner Erinnerung laufen wir über einen breiten, direkt auf den Horizont zuführenden Sandweg, links und rechts krüppelige Nadelbäume, die Sonne brennt. Einer der coolen Mitschüler - zu denen der Kreuzberger damals eher weniger gehörte - hat einen Ghettoblaster dabei. Und genug Batterien, um sein Riesengerät so weit aufzudrehen, dass die vermutlich in der Nähe lebenden Hasen und Füchse sich beim "Gute Nacht"-Sagen nicht mehr hören können.

Der collinsliebende Klassenkamerad schwadroniert beim wiederholten Abspielen des Songs - "Play" drücken, anhören, zurückspulen, bis das Zählwerk auf "000" steht, und wieder "Play" drücken - irgendwas von der Solodebüt-Trommelei des Genesisdrummers. Ich glaube ihm ehrfürchtig - denn er ist der Klassenmusiker, spielt auf den Feten "Smoke on the water" auf der Gitarre. Wenn seine Saiten dort später am Abend durch vinylige A- und B-Seiten abgelöst werden, beobachten wir ungelenken Jungs die locker tänzelnden Mitschülerinnen, die zu "Down under", "The Wall", "You're in the army now" oder dem "Safety Dance" tanzen. Wenn wir dagegen unsere Körper bewegen, wollen wir uns vor allem nicht vor den Mädels völlig zum Nappel machen. Und dann legt auf einmal jemand einen langsamen Song wie "Dream on" oder "In the air tonight" auf. Die Möchtegernmänner werden innen hektisch und außen verkrampft. Wir wollen schwoofen, irgendeinen weiblichen Körper an uns drücken - aber wie fragt man die Klassenschönheiten? Oder zumindest die Klassenhalbschönheiten? Oder überhaupt irgendein Mädchen? Und wie bringt man die drei Minuten engen Körperkontakts, den man gleichzeitig ersehnt und so sehr fürchtet, halbwegs souverän über die Bühne?

Irgendwann tanze auch ich auf Klassenfeten oder in der Disco mit dem einen oder anderen Mädchen. In den Tanzpalästen mache ich mich bei den langsamen Runden zusammen mit meinen Kumpels auf die Pirsch, immer im Kreis um die Tanzfläche. Auf der Suche nach einem willigen Opfer hübschen Mädchen, das man für ein oder zwei Songs an sich pressen kann. Eine kurze Illusion der Nähe, im Idealfall mit ein wenig Rumgeknutsche. Dann legt der DJ wieder einen schnellen Track auf, man löst sich verschämt voneinander. "Tschüß, vielleicht bis später." "Ja, bis dann." Und dabei meint man doch eigentlich: "Wenn 'In the air tonight' das nächste Mal läuft, treffen wir uns wieder hier. Zum Körperaneinanderreiben und zum schüchternen Austausch juveniler Körperflüssigkeiten."

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