Im Kino gewesen. Geweint. Gelacht. Gestaunt...
Frau Koma hatte kürzlich den Film Love Exposure empfohlen. Gestern Abend folgte ich ihrer Empfehlung - und was soll ich sagen? Danke für den Tipp. Der vierstündige japanische Film mit deutschen Untertiteln hat mir Asiafilmliebhaber das Hirn und vor allem das Herz weggeblasen. Das Genre? Martial Arts, romantische Komödie, Splatter, Bibelfilm, Drama, Coming-of-age, Episodenfilm...


Die Handlung, von denen einige Teile aus drei verschiedenen Perspektiven erzählt werden, hier kurz zusammenzufassen scheint fast unmöglich, daher nur soviel: Der junge Yu hat seiner Mutter versprochen, für sich ein Mädchen wie Maria - ja genau: Jesus' Mutter - zu finden. Yus Vater wendet sich nach dem Tod der Mutter ganz der christlichen Religion zu, wird Pfarrer und verlangt von Yu täglich zu beichten. Also beginnt Yu zu sündigen, damit er beichten kann, und wird der Meister des Tosatsu: Mit einer Kamera linst er unbemerkt unter die Röcke vorbeigehender Mädchen, um ihre Höschen zu fotografieren. Eines Tages trifft Yu dann doch noch seine Maria - Yoko -, ist dabei aber dummerweise gerade als Frau verkleidet.

Und da ich merke, dass ich die Handlung tatsächlich nicht kurz zusammenfassen kann oder will, eine Schnelldurchlauf-Stichwortsammlung zu dem, was sonst noch so in Love Exposure vorkommt: Kämpfe bis aufs Blut, Entführungen, Erektionen, Glaube und Religion, Liebe, Liebe, Liebe, Höschen, abgeschnittene Körperteile, Bibelzitate, Vergewaltigung, Inzest, Erektionen, Höschen, Gebete, Slapstick, Verwechslungen, Erektionen, eine Sekte, durchgeknallte Mädels, Liebe, Liebe, Liebe, aus unterschiedlichen Körperteilen spritzendes Blut, Erektionen, der König der Perversen, das Meer, Erektionen, Männerhass, Wahnsinn...

Aber bei all dem geht es - auch wenn es sich in der Aufzählung nicht so anhört - nur um eins: die eine, wahre, ewige, überlebensgroße Liebe. Und darum, was man für diese Liebe zu opfern bereit ist. Denn das eint alle wichtigen Figuren in Love Exposure: Wenn es ihnen ernst mit ihrer Liebe ist, müssen sie dafür zumindest einen Teil ihres bisherigen Lebens aufgeben. All das wird mit einer Kraft erzählt, wie ich sie lange nicht mehr im Kino erlebt habe. Love Exposure strotzt vor komischen, tragischen, wundervollen, albernen, schmerzenden, herrlichen und vielen bemerkenswerten Szenen mehr. Vier grandiose Stunden Kino, keine einzige langweilige Minute. Und das Ganze endet - wobei ich mich bis zur letzten Sekunde frug, ob es happy endet oder nicht - mit einer Einstellung, die so schön wie banal wie genial wie naheliegend ist. Ganz großes Kino.

Kommentieren




kittykoma, Donnerstag, 20. August 2009, 19:59
das freut mich doch! "Hirn und herz weggeblasen" - besser läßt es sich nicht beschreiben.
und jesus christus und die helige jungfrau mit jeder menge erektionen zusammenzubringen und dabei nicht vor todsündenangst filmisch herumzuerklären, das können nur japaner.

kreuzberger, Montag, 24. August 2009, 16:14
Ich bin immer noch begeistert, wie Sion Sono diese irrwitzige Mixtur zu einem grandiosen Film zusammengebastelt hat. Und wahrscheinlich muss man der christlichen Religion ferner stehen als die alten Europäer, um beim Gedanken an Maria einen Ständer zu bekommen.

kamil, Dienstag, 25. August 2009, 18:50
4 Stunden Film? Mir waren schon zwei,5 beim neuen Terention zu viel.

kreuzberger, Dienstag, 25. August 2009, 19:38
In dem Film passiert permanent so viel, dass es einem eher wie zwei Stunden vorkommt. Wie fandest Du den Tarantino? Den will ich nämlich auch noch sehen.

kamil, Dienstag, 25. August 2009, 19:43
Siehe mein Blog: gut aber zu lang.

kreuzberger, Mittwoch, 26. August 2009, 12:23
Aah, jetzt hab ichs auch gelesen. Dann werd ich mir mal Tickets fürs OmU holen.

kamil, Mittwoch, 26. August 2009, 13:27
Gute Entscheidung. mein alter Mitbewohner hat den gestern in OV gasehen und er meinte: 45%Deutsch, 30%Englisch, 20%Französisch, 5%Italienisch. (Die Sprachanteile)

kreuzberger, Donnerstag, 27. August 2009, 02:08
Ich hatte auch schon in einer Kritik gelesen, dass dieser Sprachenmix das Besondere sei. In der synchronisierten Fassung fällt der aber wohl komplett weg, weil eben alle einfach nur Deutsch sprechen.

kamil, Donnerstag, 27. August 2009, 15:38
nicht ganz, Deutsch bleibt Deutsch und Englisch wird Deutsch. Französisch ist Französisch mit deutschen Untertieteln und Italienisch Italienisch mit deutschen Untertiteln.

kreuzberger, Freitag, 28. August 2009, 11:51
Ich merk schon, ich muss ihn mir selber ansehen und nicht drüber fantasieren, was ich irgendwo gelesen habe...