Das große Los
Damals, direkt nachdem es passiert war, sagtest Du: „Das ist doch gar nicht so schlimm.“ Und: „Wir kriegen das schon wieder hin.“ Und, etwas später: „Wir schaffen das schon!“ Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie Du mich in den Arm genommen hast, um mich in diesen Momenten zu trösten – damals.

Damals – das ist jetzt fünf Jahre her, doch es erscheint mir wie eine Ewigkeit – als ob es nie ein davor gegeben hätte. Viel hat sich verändert seit diesem Tag. Ich denke manchmal daran, wie glücklich wir früher oft waren, aber ich kann mich immer weniger daran erinnern. Ein Bild habe ich noch genau vor Augen. Wir tollten wie junge Hunde am Strand herum – es war wunderschön. Aber solche Momente sind schon ewig her.

Nach diesem Tag – damals – fühlte ich mich auf einmal allein und oft so einsam. Obwohl Du da warst. Du hast versucht, mir Mut zu machen und mich so oft getröstet. Aber ich verlor langsam meinen Stolz, mein Gefühl, etwas wert zu sein. Ich kann mir heute kaum vorstellen, dass ich mich früher einmal mochte. Warum mochte ich mich ? Ich weiß es nicht mehr.

Und je mehr ich mich verlor, um so mehr verlor ich auch Dich. Immer wieder hast Du versucht, mich aufzubauen. – Aber ich wusste doch, dass Du mich für einen Versager hältst. Wer kann jemanden wie mich schon lieben und bei ihm bleiben? Immer wieder fragte ich Dich, warum Du noch bei mir warst. Ich verstand es nicht. Ich merkte, wie Du in solchen Momenten wütend wurdest, Dich von mir entferntest. Ich bade ja schon im Selbstmitleid und solle mich nicht immer tiefer in den Strudel hineinziehen lassen, meintest Du. Nach solchen Gesprächen hörte ich manchmal, wie Du Dich nachts in den Schlaf weintest. Aber Du, trotzdem – trotz mir – bist Du da geblieben.

Aber bald wirst Du mich endlich los sein. Ich weiß, dass Du es ohnehin nicht mehr lange mit mir aushalten würdest. Wahrscheinlich hast Du schon einen Liebhaber – ja, ganz bestimmt sogar. Wir haben ja auch schon ewig nicht mehr miteinander geschlafen. Aber bald, bald wird er Dich für sich allein haben und Du kannst endlich wieder glücklich sein. So wie wir es früher zusammen waren.

Das was ich tue, hat endlich wieder einen Sinn. Ganz anders als all das, was ich seit damals machte. … Der Zug wird bald kommen – dann hat es endlich ein Ende, für Dich … für mich.

Erst starben die Werften – damals – dann meine Seele, bald sterbe ich. Erst nutz- und arbeitslos, dann trostlos, bald kopflos.

Dieser Text entstand genau wie dieser 1997 für die Uni.

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