Kreuzberg ist wild (2)
Nach einem Kurzurlaub kehrt Kleinfamilie Kreuzberger nach Kreuzberg zurück. Eine Nachbarin steht auf der Straße, schaut nach oben: "Sehen Sie mal." Wir suchen den wolkenlosen Himmel ab. Da - auf dem Nachbarhaus steht er. Ein majestätisch anmutender Fischreiher. Mitten in Berlin. Anscheinend hat ihn das hiesige kulinarische Angebot dazu bewogen hierher zu ziehen - wie gewöhnlich gut unterrichtete Kreise meldeten, hat er sich schon mehrmals einen kleinen Goldfischsnack aus dem Gartenteich genehmigt.



Schlechte Fotoqualität wegen mit Handy ohne optischen Zoom aufgenommen.

Teil 1

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, Montag, 11. Juni 2007, 15:45
Letztens nächtens bei der Heimkehr über einen Fuchs gestolpert. Nicht sprichwörtlich, sondern tatsächlich. Gestolpert. Mitten in Neukölln. Und der war noch nicht mal tollwütig.

kreuzberger, Montag, 11. Juni 2007, 16:39
Lebte der noch? ;-)

Einem Fuchs bin ich in Kreuzberg ja auch schon mal begegnet - allerdings zum Glück in größerer Entfernung.

mark793, Montag, 11. Juni 2007, 16:51
Im Hinterhof
meiner früheren Wohnung in MA-City hat neulich auch ein Fuchs rumrandaliert, wie mir von den Ex-Nachbarn berichtet wurde. Der Typ aus dem Erdgeschoss soll sogar mit seinem Kleinkalibergewehr auf das Vieh geballert haben. Das soll zwar einen heruntergekommenen Eindruck gemacht haben, war für den alten Suffkopp mit zuviel Zielwasser aber anscheinend dann doch zu fix...

kreuzberger, Montag, 11. Juni 2007, 19:26
Warum wohnen die Säufer eigentlich so oft im Erdgeschoss? Oder fällt der übermäßige Alkoholkonsum bei denen nur eher auf, weil man die Auswirkungen häufiger miterleben darf? Z.B. wenn die nur mit Unterhose und -hemd bekleideten alten Männer am offenen Fenster ein weiteres Bier leeren und sich dabei am Hintern kratzen. Oder eben wenn sie die englische Fuchsjagd-Tradition nach Deutschland importieren.

mark793, Montag, 11. Juni 2007, 19:42
Gute Frage.
Vielleicht fällts weiter oben wirklich nur nicht so stark auf. Im ersten OG, direkt drüber, wohnt übrigens ein Arzt, der auch ein Alkproblem hat, er tarnt es nur besser die meiste Zeit, aber von Zeit zu Zeit gabs da auch unschöne Szenen. Im Dachgeschoss, also direkt über mir, hatte ein Späthippie-Computerfreak-Ex-Hacker der alten Garde sein Domizil. Was der so alles eingefahren hat, kann ich nur vermuten. So blass, nachtaktiv und hochparanoid, wie der wie der unterwegs war, war bestimmt nicht nur bisschen Gras im Spiel. War schon eine lustige Hausgemeinschaft, mit der ich in den 14 Jahren, in denen ich dort wohnte, so manchen Schwank erlebte...

kreuzberger, Montag, 11. Juni 2007, 20:10
14 Jahre?
So lang hab ich noch nie irgendwo gewohnt, mein Rekord liegt bei zehn Jahren. Respekt.

In meinen Berlin-Friedrichshainer Jahren wohnte gegenüber von mir auch ein Herr mit gelegentlichen Aussetzern. Im Sommer standen bei fast allen Mietern die Fenster offen und vielerlei Musik beschallte leise den Innenhof. Bis besagter Nachbar dann immer irgendwann in den Hof brüllte: "Is da jetze bald ma Ruhe oda wat? Dit kann doch nich wah sinn. Mannmannmann."

Von dem schwerhörigen Alkoholiker, der unter mir wohnte, ganz zu schweigen. Morgens um 7 trank er gemeinsam mit unserem Hausmeister erstmal das erste Bierchen und nachts stellte er seinen Fernseher von 11 bis 6 wochenlang auf Großraumdisco-Lautstärke. Wie ich durch meinen Dielenboden gut mitbekam, sah er am liebsten die hochwertigen MDR-Nachtprogramme. Eines Nachts bereitete dann die Polizei diesem Treiben ein Ende - nachdem ich wieder einmal zehn Minuten lang erfolglos geklingelt und gegen seine Tür gehämmert hatte. Auch meine Freunde und Helfer klingelten und klopften erst, um danach mit den Worten "AUFMACHEN, POLIZEI!" gegen die Tür zu hämmern. In der Folgezeit herrschte Ruhe, aber ich lag dennoch oft misstrauisch wach und wartete darauf, von Volksmusik- oder Talkshowwiederholungen am Schlafen gehindert zu werden.

mark793, Montag, 11. Juni 2007, 20:34
Diese Sommernächte
habe ich auch in sehr spezieller Erinnerung. In den frühen 90ern war schräg gegenüber in einem früheren Amtsgebäude auch noch eine Asylantenunterkunft. Und wenn man wegen der Hitze eh schon nicht schlafen konnte, obwohl man alle Löcher auf Durchzug gestellt hatte, dann ging es unten auf der Straße richtig rund, wenn vor allem die Afrikaner, für die solche Temperaturen anscheinend kein Problem darstellten (und die ja auch nicht morgens aufstehen mussten mangels Arbeitserlaubnis etc.), zu Hochform aufliefen. In solchen Momenten hab ich die Multikulti-Idylle dann schon mal insgeheim verflucht. Auch wenn mich unterm Strich die Deutschprolls der Gegend inklusive der depressiven und verwirrten Omi mit dem lauten Fernseher im zweiten Stock mehr Nachtschlaf gekostet haben.

kreuzberger, Dienstag, 12. Juni 2007, 02:04
In jedem Kulturkreis
gibt es Menschen, die einen mit ihren Verhaltensweisen nerven. Natürlich darf ich die Nerver dann auch blöd finden. Problematisch wird es in meinen Augen nur, wenn man Menschen für das, was sie sind, "insgeheim verflucht". Solange man sich dagegen nur über das ärgert, was jemand tut, ist doch alles in Ordnung. Denn man muss ja nicht alle Verhaltensweisen seiner Mitmenschen super finden.

Das ist übrigens das erste Mal, dass ich von "Multikulti-Idylle" im Zusammenhang mit einem Asylantenheim höre.

mark793, Mittwoch, 13. Juni 2007, 20:54
Mit der Multikulti-Idylle
meinte ich auch eher den Stadtteil und nicht die Asylantenunterkunft. Denn in der ging es ja weiß Gott nicht immer idyllisch zu.

Ich habe das Viertel, das z.T. einen gewissen Kreuzberg-Flair hat, wirklich geliebt inklusive der Schattenseiten, die die Nähe zum Rotlichtbezirk und Hafen so mit sich brachten. In den letzten Jahren, bevor ich wegzog, wurde es aber zunehmend ungemütlich, mehr latenter Aggress in der Luft. Und das hatte ganz klar mit dem zahlreichen Zuzug von Osteuropäern zu tun. Das meine ich nicht als Schuldzuweisung. Sondern einfach als Feststellung, dass das sensible ethnische Gleichgewicht, das sich zwischen Deutschen, Türken und Südeuropäern einigermaßen eingependelt hatte, nicht mehr so recht funktionierte, als die Russen mit ihrer ganz anderen Mentalität ins Spiel kamen.

kreuzberger, Donnerstag, 14. Juni 2007, 00:11
Unterschiedliche Mentalitäten
auf engem Raum können natürlich immer zu Missverständnissen, Problemen und damit auch zu Aggressionen führen. Ganz unabhängig davon, aus welchem Land die jeweiligen Menschen kommen - was man ja auch an den obigen Beispielen mit diversen deutschen Problemfällen sieht. Und dass die Probleme zunehmen, wenn ein funktionierendes Sozialsystem sich innerhalb kurzer Zeit stark ändert, glaube ich Ihnen gerne. Diejenigen, die es sich leisten können, versuchen dann ja in der Regel diese Brennpunkte zu verlassen.