Glück und Unglück
Das Kind eines sehr guten Freundes ist auf der Welt. Eigentlich ein Grund zum feiern. Aber der kleine Junge kam nicht nur viel zu früh, er ist auch viel zu klein und leicht, hat einen schweren Herzfehler, die Lungen werden sich wohl nicht richtig ausbilden und ob das Gehirn ausreichend Sauerstoff bekommt, ist unklar. Sollte er überleben - was die Ärzte nicht glauben -, wird er schwerstbehindert sein und rund um die Uhr Betreuung brauchen. Als der frischgebackene Vater mir mit belegter Stimme davon erzählte, wusste ich kaum, was ich sagen sollte. Nach diesem Telefonat lief meine schon so groß gewordene Kleine mit ausgebreiteten Armen strahlend auf mich zu und ließ ihr sechszähniges Lachen kieksend aufblitzen - und ich war so unendlich dankbar, dass sie so gesund, fröhlich und wundervoll ist. Und hatte für einen kurzen Augenblick fast ein schlechtes Gewissen wegen meines Glücks.

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mark793, Mittwoch, 17. Oktober 2007, 19:49
Ja,
dieses Gefühl kenne ich. Das bleibt nicht aus, wenn beim eigenen Nachwuchs alles glatt lief und man bei Freunden und Bekannten von Komplikationen oder gar schlimmerem hört.

Andererseits hab ich auch schon Kinder gesehen, die sich um so düstere Prognosen von Ärzten nicht geschert haben und dann doch mit weitaus weniger Handicaps aufwuchsen als ursprünglich befürchtet. Das Mädchen unserer Nachbarin hatte als Frühchen mit Herzfehler auch übelste Aussichten nach Ansage der Ärzte. Jetzt ist sie knapp vier, und alles, was nach mehreren Herz-OPs jetzt noch auffällt ist, dass sie halt bisschen klein ist für ihr Alter. Man weiß es wirklich nicht, was wird. Man kann eigentlich nur immer wieder dankbar sein, wenn alles glatt geht.

kreuzberger, Donnerstag, 18. Oktober 2007, 11:51
Das war bei mir das erste Mal,
bei allen anderen Freunden lief auch immer alles glatt, von kleineren, aber normalen Komplikationen bei der Geburt einmal abgesehen. Ich hatte nach dem Gespräch einen ziemlichen Kloß im Hals, der jedesmal wiederkommt, wenn ich daran denke.

Der Kleine scheint auch ein Kämpfer zu sein und gibt einfach nicht auf. Aber die Prognosen sind eigentlich nicht nur düster, sondern sogar eindeutig. Unter anderem meinten die Ärzte, wenn die Eltern das Kind taufen lassen wollen, sollte das schnellstmöglich im Krankenhaus geschehen. Das Resultat war dann eine sogenannte "Nottaufe", für die an einem Sonntag noch extra ein Pfarrer in die Klinik kam. Aber Sie haben schon Recht, dass man nicht vorhersagen kann, ob der Kleine sich eventuell doch gegen alle Prognosen und Widerstände durchsetzen wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass er seinen ersten Geburtstag erleben wird, beträgt nach allem, was der Vater mir erzählte, wohl aber nur minimal mehr als 0%. Und das macht mich schon sehr betroffen - lässt mich dabei auch das eigene Glück viel bewusster erleben.